Eucharistische Anbetung
Er schaut mich an und ich schaue ihn an
Jesus ist da. In jedem Tabernakel der Welt ist er unter der Gestalt des Brotes zugegen. Das glauben wir Katholiken fest. Deshalb ist es guter Brauch, beim Vorbeigehen an einem Gotteshaus kurz innezuhalten, einzutreten und Jesus im Sakrament des Altares zu begrüßen. Eine schon jahrhundertealte Glaubenstradition ist die „Eucharistische Anbetung“ in den Pfarrgemeinden. Diese Form des Gebets entstand im 11. Jahrhundert als Reaktion auf die Irrlehre des Berengar von Tours, der die Realpräsenz Jesu in der Eucharistie (d.h. die tatsächliche und bleibende Gegenwart Christi) leugnete. Seither ist die Eucharistische Anbetung für viele Menschen eine Quelle großer spiritueller Kraft, eine Art von Liebesfeuer, das ihre Herzen wärmt. Vor dem ausgesetzten Allerheiligsten beten die Gläubigen zu Jesus, preisen und danken Gott, tragen ihre Bitten vor und horchen in der Stille auf das, was Jesus ihnen sagen möchte.
„Brot ist wichtig, die Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.“ (Alfred Delp)
2013 hat der „Ökumenminister“ des Vatikan, Kardinal Kurt Koch, eine schöne Ansprache über den Stellenwert und die Wichtigkeit der Eucharistischen Anbetung in Magdeburg gehalten.
Anbetung – Gott in Seiner Größe und Majestät ehren
Das griechische Wort für Anbetung heißt proskynesis. Damit wird die Geste der Ehrerbietung und Unterwerfung bezeichnet. Diese Niederwerfung bestand meist darin, dass sich der Untertan dem Herrscher zu Füßen warf, oder zumindest auf die Knie ging und den Kopf zu Boden neigte, sich manchmal auch mit dem Gesicht nach unten flach auf den Boden legte.
Die Verneigung vor Gott ist eine Haltung, in der wir zum Ausdruck bringen, dass Gott Gott ist und wir (nur) Seine Geschöpfe. „Gott, Du bist der einzige, wahre Gott! Du überragst alles. Ich anerkenne Dich als meinen Herrn. Ich habe nichts an Dir auszusetzen. Du allein bist der Heilige. Du Alllein bist der Höchste. Du allein bist der Herr. Du bist der durch und durch Liebende. Du bist souverän in all Deinem Wirken. Dir gebührt alle Ehre, alles Lob und alle Anbetung. Es ist gut, dass Du, Gott, bist. Ich erkenne Dich ganz als Gott an.“
Das lateinische Wort für Anbetung heißt adoratio. Darin ist das Wort Mund enthalten. Adoratio bedeutet: Berührung von Mund zu Mund, Kuss, Umarmung und so im tiefsten Liebe, so Papst Benedikt XVI. bei der Abschlussmesse des Weltjugendtags am 21. August 2005 in Köln. Anbetung bedeutet, Gottes Kuss der Liebe anzunehmen und Ihm meinen Kuss der Liebe zu schenken. Das bringt zum Ausdruck, dass das Gebet immer eine Bewegung ist, die von Gott ausgeht. Er ergreift die Initiative. Es ist die Sehnsucht Gottes, uns zu lieben und dass wir Seine Liebe annehmen und liebend darauf antworten.
Es ist ein Anliegen vieler großer Heiliger und aller Päpste der vergangenen Jahrzehnte, diese Form der Gottesbegegnung wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Zuletzt rief Papst Franziskus beim Eucharistischen Kongress in Budapest am 12. September 2021 dazu auf, mehr Zeit in der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments zu verbringen, um Christus ähnlicher zu werden. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung seiner Aussagen.
„Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20)
Die Gegenwart Jesu im Tabernakel jeder katholischen Kirche ist ein großes Geschenk. Nirgendwo wird die Zusage Jesu spürbarer als im Sakrament des Altares. Wer sich darin übt, wird viel Trost und Hilfe erfahren. „Denn ich bin nicht gekommen“, sagt Jesus im Johannesevangelium, „um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten“ (Joh 12,47). Die Anbetung Gottes wird in alle Ewigkeit bleiben. Bereits jetzt sind wir eingeladen, in diese Ewige Anbetung einzustimmen. Wir beten Gott an, für das, was Er ist: Hocherhaben, heilig, allmächtig, unfassbar schön, voll Majestät, der König und Herrscher über die ganze Erde. Anbetung ist Bezeugung dieser Herrschaft Gottes – ein sich Versenken in die Liebe und Schönheit Gottes. Wir beten Ihn an, ohne eine Forderung, ohne uns vorzustellen, was uns diese Zeit bringt oder was Er tun sollte.
Vielleicht fragen Sie sich: Anbeten – warum?
Bischof Stefan Oster , Bischof von Passau, ist beim Kongress „Adoratio“ im Jahre 2019 in Altötting dieser Frage nachgegangen. Hören Sie hier den bedenkenswerten Vortrag von Bischof Oster.
Anbeten – Was tu ich da?
Bei der Anbetung darf ich in Seiner Gegenwart sein, ich darf Ihn anschauen und mich von Ihm anschauen lassen. Er dringt tief in mein Herz ein. P. Hans Buob, ein erfahrener Exerzitienmeister aus Deutschland, spricht in einem Vortrag darüber, was man bei der Anbetung tut. Hören Sie hier den wertvollen Vortrag von P. Hans Buob, den er beim „Adoratio“ 2019 gehalten hat.
Was sagt die Bibel zum Thema Anbetung?
Sowohl das Alte als auch das Neue Testament enthalten eine Fülle an Stellen, in denen von der Anbetung Gottes die Rede ist. Hier einige ausgewählte Stellen:
„Alle Welt bete dich an und singe dein Lob, sie lobsinge deinem Namen!“ (Ps 66,4)
„Kommt, lasst uns niederfallen, uns vor ihm verneigen, lasst uns niederknien vor dem Herrn, unserm Schöpfer!“ (Ps 95,6)
„Sie erhoben sich von ihren Plätzen und man las drei Stunden lang aus dem Buch des Gesetzes des Herrn, ihres Gottes, vor. Dann bekannten sie drei Stunden lang ihre Schuld und warfen sich vor dem Herrn, ihrem Gott, nieder.“ (Neh 9,3)
„Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss. Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ (Joh 4,20-24)
„Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn? Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? (Sag es mir,) damit ich an ihn glaube. Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es.Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.“ (Joh 9,35-38)
„Gott bete an!“ (Offb 22,9)
Früchte der Anbetung
Die Früchte sind sehr vielfältig. Die größte Frucht ist das Wachstum in der Liebe zu Jesus bei jedem, der sich für die Anbetung öffnet. Es gibt zahlreiche Gebetserhörungen, auch bemerkenswerte Heilungen. Wenn Er die Mitte ist, kommt alles andere auch an den richtigen Platz. Er ordnet den Rest.
Hören Sie hier ein interessantes Interview mit Père Florian Racine, einem Pfarrer aus Frankreich, der in seiner Pfarre die „Ewige Anbetung“, also rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres, eingeführt hat.
Was sagen die Heiligen über die Eucharistische Anbetung?
Thomas v. Aquin (1225-1274), Philosoph, Theologe, Kirchenlehrer. Gedicht zu Fronleichnam 1264:
Gottheit tief verborgen, betend nah‘ ich dir. Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier. Sieh, mit ganzem Herzen schenk‘ ich dir mich hin, weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.
Augen, Mund und Hände täuschen sich in Dir, doch des Wortes Botschaft offenbart Dich mir. Was Gott Sohn gesprochen, nehm‘ ich glaubend an; Er ist selbst die Wahrheit, die nicht trügen kann.
Einst am Kreuz verhüllte sich der Gottheit Glanz, hier ist auch verborgen Deine Menschheit ganz. Beide sieht mein Glaube in dem Brote hier, wie der Schacher ruf‘ ich, Herr, um Gnade zu Dir.
Kann ich nicht wie Thomas schau’n die Wunden rot, bet‘ ich dennoch gläubig: „Du mein Herr und Gott“. Tief und tiefer werde dieser Glaube mein, fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.
Denkmal, das uns mahnet an des Herren Tod! Du gibst uns das Leben, o lebendig Brot. Werde gnädig Nahrung meinem Geiste Du, dass er Dein Wonnen koste immerzu.
Gleich dem Pelikane starbst Du, Jesu mein, wasch‘ in Deinem Blute mich von Sünden rein. Schon ein kleiner Tropfen sühnet alle Schuld, bringt der ganzen Erde Gottes Heil und Huld.
Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht: Lass‘ die Schleier allen einst in Deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, Dein Angesicht. Amen.
Edith Stein (1891-1942), Märtyrin (ermordet am 9. August 1942 im KZ Auschwitz):
„Der Herr ist im Tabernakel gegenwärtig mit Gottheit und Menschheit. Er ist da, nicht Seinetwegen, sondern unseretwegen: weil es Sein Freude ist, bei den Menschen zu sein. Und weil Er weiß, dass wir, wie wir nun einmal sind, Seine persönliche Nähe brauchen. Die Konsequenz ist für jeden natürlich Denkenden und Fühlenden, dass er sich hingezogen fühlt und dort ist, sooft und solange er darf. Lieben wir es, beim Herrn zu sein. Da können wir alles mit ihm bereden. Unsere Fragen, unsere Sorgen, unsere Ängste. Unsere Freuden. Unsere Dankbarkeit, unsere Enttäuschungen, unsere Bitten und Hoffnungen. Da können wir es ihm auch immer wieder sagen: Herr, sende Arbeiter in Deine Erneute. Hilf mir, ein guter Arbeiter in Deinem Weinberg zu sein.“
Sr. Faustyna Kowalska (1905-1938), Ordensfrau und Mystikerin:
„Siehst du, auch wenn in Mir vermeintlich keine Spur von Leben ist, in Wirklichkeit ist es in seiner ganzen Fülle in jeder einzelnen Hostie enthalten. Aber damit Ich in der Seele wirken kann, muss sie den Glauben haben. O wie lieb ist Mir der lebendige Glaube.“
Mutter Teresa (1910-1997), Ordensfrau und -gründerin:
„Die Zeit, die du mit Jesus im Allerheiligsten Sakrament verbringst, ist die beste Zeit, die du auf Erden verbringen wirst. Jeder Augenblick, den du mit Jesus verbringst, wird deine Einheit mit ihm vertiefen und deine Seele auf ewig herrlicher und schöner machen für den Himmel sowie mithelfen, ewigen Frieden auf Erden zu fördern.“
„Erst nachdem wir 1973 mit der täglichen heiligen Stunde anfingen, begann unsere Gemeinschaft zu wachsen und zu blühen (…) In unserer Kongregation hatten wir bereits eine Anbetungsstunde pro Woche. Erst 1973 entschieden wir uns für eine Stunde jeden Tag. Als wir mit der täglichen Anbetung begannen, wurde unsere Liebe zu Christus viel intimer, unsere Liebe zueinander verständnisvoller, unsere Liebe zu den Armen mitleidvoller und die Anzahl unserer Berufungen hat sich verdoppelt. Gott hat uns mit vielen wunderbaren Berufungen gesegnet. Die Zeit, die wir in unserer täglichen Audienz mit Gott verbringen, ist die wertvollste Zeit des ganzen Tages.“
Auf die Frage, was die Welt retten wird, antwortete sie: „Das Gebet. Jede Pfarrei soll vor Jesus im Allerheiligsten Sakrament hintreten in Stunden des Gebetes.“
Gedanken der letzten Päpste zur Eucharistischen Anbetung
„Wie schön ist es, vor einem Kreuz zu stehen oder vor dem Allerheiligsten zu knien und einfach vor Seinen Augen da zu sein! Wie gut tut es uns, zuzulassen, dass Er unser Leben wieder anrührt und uns antreibt, Sein neues Leben mitzuteilen!“
(Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ über die Freude des Evangeliums vom 24. November 2013, EG 204)
In seiner Predigt vom 14. April 2013 stellte Franziskus die Frage: „Gehen wir zu Gott nur um zu bitten und zu danken, oder gehen wir auch zu ihm, um ihn anzubeten?“
„Was heißt denn, Gott anzubeten? Es bedeutet zu lernen, wie wir bei ihm verweilen und innehalten können, um mit ihm zu sprechen und dabei zu spüren, dass seine Gegenwart die wahrste, beste und wichtigste aller ist. Jeder von uns hat in seinem Leben bewusst und vielleicht manchmal unbewusst eine ganz genaue Reihenfolge der Dinge, die er für mehr oder weniger wichtig hält. Den Herrn anzubeten bedeutet, ihm den Patz zu geben, der ihm gebührt. Den Herrn anzubeten bedeutet, zu sagen und zu glauben – aber nicht nur mit Worten -, dass er allein wirklich unser Leben lenkt. Den Herrn anzubeten bedeutet, dass wir vor ihm die Überzeugung gewinnen, dass er der einzige Gott, der Gott unseres Lebens, der Gott unserer Geschichte ist.
Das hat eine Konsequenz in unserem Leben: uns der vielen kleinen und großen Götzen zu entäußern, die wir haben und zu denen wir Zuflucht nehmen, in denen wir unsere Sicherheit suchen und diese häufig auf sie setzen. Es sind Götzen, die wir oft gut versteckt halten; es kann Ehrgeiz sein, Karrieremacherin, Freude am Erfolg, sich selbst ins Zentrum zu setzen, die Neigung, sich gegen andere durchzusetzen, die Anmaßung, die einzigen Herren unseres Lebens zu sein, irgendeine Sünde, and er wir hängen, und vieles andere.
Heute Abend möchte ich, dass eine Frage im Herzen eines jeden von uns aufsteige und dass wir sie ehrlich beantworten: Habe ich darüber nachgedacht, welchen verborgenen Götzen ich in meinem Leben habe, der mich daran hindert, den Herrn anzubeten? Anbeten bedeutet, uns unserer Götzen zu entäußern, auch der heimlichsten, und den Herrn als Mitte, als den Leitweg unseres Lebens zu wählen.“
„Das Entscheidende ist, dass wir mit Christus und daher untereinander vereint sind, dass wir bei ihm sind, damit wir in seinem Namen aufbrechen können. Unsere wahre Kraft ist es also, uns mit seinem Wort und seinem Leib zu nähren, uns seiner Hingabe für uns anzuschließen (…) und ihn, der in der Eucharistie gegenwärtig ist, anzubeten: Vor jeder Aktivität und vor jedem Planen unsererseits muss nämlich die Anbetung kommen, die uns wirklich frei macht und uns den Maßstab unseres Handelns gibt. In der Vereinigung mit Christus geht die Jungfrau Maria uns voran und leitet uns.“
(Ansprache beim Kongress der katholischen Kirche in Italien, 19. Oktober 2006 in Verona)
Papst Johannes Paul II. (1920-2005)
„Die Kirche und die Welt haben die Verehrung der Eucharistie sehr nötig. In diesem Sakrament der Liebe wartet Jesus selbst auf uns. Keine Zeit sei uns dafür zu schade, um Jesus dort zu begegnen: In der Anbetung, in einer Kontemplation voller Glauben, bereit, die große Schuld und alles Unrecht der Welt zu sühnen. Unsere Anbetung sollte nie aufhören.“
(Gründonnerstagsschreiben „Dominicae cenae“ über das Geheimnis und die Verehrung der heiligsten Eucharistie“ vom 24. Februar 1980)